Sultanin der Altmark

CrossMedia-Workshopreihe der .lkj) Sachsen-Anhalt im Programm "Mein Land - Zeit für Zukunft"

 

Unter diesem Projektnamen finden vom 01.03.2021 bis 31.08.2022 zwölf Workshops statt, gefördert durch „Mein Land. Zeit für Zukunft“ der Türkischen Gemeinde in Deutschland e.V. aus Mitteln des Bundesprogramms „Kultur macht stark. Bündnisse für Bildung“ finanziert durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung. Im Projektbündnis „Sultanin der Altmark“ sind zusammengeschlossen die Landesvereinigung kulturelle Kinder- und Jugendbildung Sachsen-Anhalt, das ICATAT, der Förderverein der Schriftsteller und der Jugendclub Bittkau.

 

Zu Sachsen-Anhalts langer Interkulturgeschichte erarbeiten Jugendliche gemeinsam via kultureller CrossMedia-Bildungswerkstätten unterschiedliche Ergebnisse (manuell-praktisch / künstlerisch-virtuell) begleitet von einem Online-Blog. Das Wort „zweiheimisch“ beschreibt dabei die Verortung vieler Menschen nicht „zwischen“ zwei Kulturen, sondern ihr Beheimatet-Sein IN zwei oder mehreren Kulturen. CrossMedia beschreibt unsere Arbeitsweise: Mittels medialer online- und offline-Techniken sind Jugendliche kreativ tätig.

 

Wir ermutigen die zum Teil bildungsbenachteiligten Jugendlichen dazu, sich an der kulturellen Infrastruktur ihrer Gemeinden und Stadtteile zu beteiligen und initiieren kulturelle Veranstaltungen mit Peer-to-Peer-Vermittlung von theoretischen und praktischen kulturellen Fähigkeiten.

 

Mit Modulen aus Theater, Koch-/Ernährungs-/Umwelt-Workshops; Kalligrafie&Graffiti-, Text-Lese- und Schreibwerkstätten in unterschiedlichen Laufzeiten als wöchentliche AG, Sommerschule oder Wochenend-Workshops organisieren wir kulturelle Bildung, Empowerment, Biografiearbeit, Transkulturelle / interkulturelle Geschichten aus der Geschichte und der Gegenwart für und mit Kindern und Jugendlichen von 12-18 Jahren in Magdeburg, dem Bördelandkreis und den Altmark-Kreisen Stendal und Salzwedel.

 

Der Titel „Sultanin“ verweist auf patriarchale Verhältnisse, die hinterfragt werden und die auch historisch immer wieder gebrochen wurden: Wir lernen im Projekt gemeinsam starke mutige Frauen kennen, historische wie die Sultanin vom Bosporus, aber auch heutige aus dem Hier und Jetzt. Sultana oder Sultanin bedeutet ‘islamische Herrscherin’ und wanderte als Wort im frühen 16. Jahrhundert während der sogenannten „Türkenkriege“ als Bezeichnung für Herrscherinnen des Osmanischen Reiches zu uns. Es stammt vom arabischen Wort sulṭān für ‘Herrschaft, Herrscher’. Auf Mittelhochdeutsch hieß es soldān als genereller Begriff für einen „heidnischen“ Herrscher, den Gegner der christlichen Kreuzfahrer. 

 

Das Wort Sultanine für `große kernlose Rosine` (im 19. Jh. Noch: Sultaninrosine) ist direkt verbunden mit der orientalischen Kulturgeschichte und bedeutet ‘edle, fürstliche Rosine’. Sie steht für eine aus Kleinasien eingeführte Sorte, der „Sultana-Weinrebe“, die so köstlich und saftig-süß ist, dass sie im 18. Jahrhundert nur der ‘Frau des Sultans’ ebenbürtig war. Heute hat diese Sultana-Rebe über 145 verschiedene Namen, in Nordeuropa oft . Um die helle Farbe der Frucht zu bewahren, werden die Beeren besonders schonend getrocknet, ca. 7-10 Tagein der Sonne. Der veralteter Name „Smyrna-Rosine“ deutet auf den Ursprung der Traube in der Region um Izmir hin.

 Im ersten Workshop unter dem Titel „Sultanin der Altmark“ wurde diskutiert, gezeichnet, kalligrafiert, gemalt, geforscht, gelesen, fotografiert, collagiert und getextet rund um die osmanische Sultanin, die vor hunderten von Jahren in die Altmark gekommen sein soll. Ihre Geschichte lebt in der Sage von der „Türkin in der Wische“.

Neben historischen Sultaninnen wie der polnischstämmigen Roxolane (Hürrem Sultana) und der Tatarin Söyembikä lernten wir ebenfalls Lebensläufe andere starker zeitgenössischer Frauen mit Mut und Klugheit kennen, z.B. Fatema Mernissi, Leila Ahmed, Seyran Ateş, Shirin Ebadi, Nawal El Saadawi oder Amina Wadud.

 

 

Wir freuen uns auf viele angeregte Workshopwochen in der Altmark, der Börde und Magdeburg!


WS I: Der Pascha sind wir:

 

 

 

Von März bis Juli fanden erste Workshops im Rahmen des Cross-Media-Projektes „Sultanin der Altmark“ statt, in welchen sich Kinder und Jugendliche mit den Themen Heimat, Ankommen und Wegziehen, Hoffnung und Freundschaft beschäftigen.

 

In den Workshops der letzten Monate setzten sich Gruppen von je 15 Kindern und Jugendlichen unter der Leitung der Künstler*innen Iman Shabaan und Masoumeh Ahmadi mit der Geschichte der „Sultanin der Altmark“ auseinander, einer osmanischen Prinzessin, die der Sage nach in der Altmark heimisch wurde.

 

 

Die Inspiration für den Workshop kam aus dem Buch „Der Pascha von Magdeburg. Der Orient in Mitteldeutschland“, das in .lkj)-Jugendworkshops der letzten Jahre entstand und von Dr. Mieste Hotopp-Riecke herausgegeben wurde. Es erzählt Geschichten über die Verbindung zwischen „Morgenland und Mitteldeutschland“.

 

 

Im digitalen Raum wurden durch diese Erzählungen inspiriert Geschichten gelesen, Ideen geschmiedet und viel gezeichnet und ausprobiert. Unter anderem wurde den Kindern auch die Sage vom Ritter von Jagow aus der Altmark und seiner Sultanin erzählt und wie ihre Liebe keine Grenzen kannte. Bei dieser Geschichte und etlichen weiteren starken Frauengeschichten geht es um Frauenpower, Mut, Zuversicht und Vielfalt.

 

https://paschamd.jimdo.com/geschichte-n/der-ritter-von-jagow/

 

 

Die Kinder lernten auch die Geschichte des Mehmed Ali Pascha aus Magdeburg kennen sowie drei andere osmanische Paschas, die in Magdeburg weilten, als Diplomaten, als Gefangene und Exilanten.

 

Die Teilnehmenden zeichneten, malten und unterhielten sich über die Themen und darüber, wie die Vergangenheit aussah, auch ihre eigene, und wie sie sich die Zukunft wünschen würden. Schlussendlich entstanden Entwürfe für Logos und Motive für die kommenden Workshops im Projekt.

 

 

Als symbolischen Abschluß des ersten Projektzeitraums und für ein Ende der Pandemie gingen alle zusammen ins Kino und genossen eine schöne Zeit mit einem Film über Freundschaft, Liebe und Heimat.

 

 

 


WS II: Sultanin der Altmark

 Auf dem Weg zur Langen Nacht der Wissenschaft am 29.05.2021 fand unser zweiter Workshop unter dem Titel: "Sultanin der Altmark" statt.

In Kooperation mit der Hochschule Magdeburg-Stendal bearbeiteten die Jugendlichen das Thema "Sultanin" literarisch, haptisch-modulierend, diskursiv aus der Genderperspektive und crossmedial (online/offline). Die Titelheldin ist die Tochter eines osmanischen Paschas, die zur Zeit der "Türkenkriege" als zweite Frau des Ritters von Jagow zunächst dessen Lebensretterin am Bosporus und später seine zweite Frau in der Altmark wurde. Die Ergebnisse dieser Arbeit wurden gesammelt, diskutiert und reflektiert. Unter der Leitung von Tom Hartig vom Offenen Kanal Magdeburg waren wir Mitgestalter*innen eines Videos zur langen Nacht der Wissenschaft. Wir danken auch unseren Gästen, die mit dabei waren: Klaus Farin von der Stiftung Respekt, Sybille Wegener von der Bibliothek der Hochschule Magdeburg-Stendal und Dzhemile Umerova von der Organisation Arbeit und Leben e.V.

 


WS III: Ali, Otto, Hanife

Am 01.05.2021 startete unser dritter Workshop unter dem Titel "Ali, Otto, Hanife". Zusätzlich zu unseren Aktivitäten in Magdeburg und der Altmark fanden im Elb-Havel-Winkel Treffen mit anderen Projektgruppen und Künstler*innen statt, um sich nachhaltig zu vernetzen und bekannt zu  machen.
Das Thema dieses Workshops bearbeiteten die Jugendlichen literarisch und musikalisch-tänzerisch auf den Spuren der tatarisch-preußischen Offizierstochter Hanife und des ersten Berliner Stadthauptmanns mit osmanischem Migrationshintergrund, Christian Friedrich Aly, der in Buch-Grieben/Altmark an der Elbe zwangsgetauft wurde, bevor er an den preußischen Königshof "verschenkt" wurde. Die beiden Musiker: Enver Ibragimov und Mustafa Mustafa schafften es, eine orientalische Stimmung unter den Teilnehmer*innen zu erzeugen und dieses Thema erfolgreich zu verarbeiten – auch dank ihrer autobiografisch-musikalischen Melodie-Folgen. In der Seegemeinde Kamern war unser Projekt ebenfalls präsent, um im Sommer verschiedene Workshops anzubieten und zu unterstützen.


WS IV: Helal.Koscher.Lecker.

 

Auf den Spuren der Geschichte des Essens fand unser vierter Workshop im Dorf Kamern sowie in der alten Hansestadt Havelberg statt. Unter der Leitung von Gerald Walter (Hayati e.V.) und Sabine Altendorf konnten die Jugendlichen verschiedene Themen diskutieren, haptisch modelieren und unterschiedliche Fragen beantworten: Warum bietet die größte Molkerei mitten in der Altmark koschere und Helal-zertifizierte Schlagsahne an? Woher kommen der Döner, der Joghurt und das Wörtchen Kiosk, das jeder kennt? Zu den Methoden dieses Workshop-Moduls gehören Kulturtechniken wie Vorlesen, gemeinsames Kochen und die Recherche nach Rezepten und der Migrationsgeschichte unserer Lebensmittel. Der Hit war die selbstgemachte vegane Leberwurst und die Erkenntnis: Ohne Gewürze aus dem Orient funktioniert deutsche Wurst nicht, ohne Fleisch schon   ;-)  

 

Der Workshop war ein erfolgreiches Ergebnis einer Kooperation der .lkj) Sachsen-Anhalt, des Jugendclubs Kamern und JUZE Havelberg sowie der Old School in Havelberg. Weitere Veranstaltungen sind für die kommenden Monate geplant.

 


Medienworkshop V: BAUHAUS:ORIENTAL

Unser fünfter Workshop unter dem Titel: "Bauhaus: Oriental" fand in der Zeit vom 15.08 bis 30.10.2021 statt, wobei im und am Jugendclub Kamern getanzt, gestaltet und gebastelt wurde, während im Jugendzentrum in Havelberg ein Töpferkurs Jugendliche zum Gestalten und Formen anlockte.

 

 

Im großen Clubraum von Kamern wurden unter der Leitung der Betreuerin Petra Güldenpfennig 400 Holzwürfel zunächst mit Sandpapier abgeschliffen dann mit bunten Farben grundiert und anschließend mit verschiedenen Mustern, Figuren oder Buchstaben verziert. Sie alle sind Teile eines großen Holzkunstwerkes, dass Zusammenhalt von Unterschiedlichkeit symbolisiert. Der Workshop fand unter dem Motto: " Kluge Kinder - starke Frauen" statt. Dr. Mieste Hotopp-Riecke und Ammar Awaniy von der .lkj) Sachsen-Anhalt und ICATAT e.V. inspirierte die Jugendlichen und Kinder mit ihren Geschichten über starke Frauen: Von der "Sultanin der Altmark" bis zum Bauhaus als Ort des neuen Denkens, der Aufgeschlossenheit war viel Neues und Interessantes dabei. Draußen an der frischen Luft wurde unter der Anleitung von Mariot Gortat unter dem Motto "Heimat:Tanz" getanzt, wobei fast 30 Kinder beteiligt waren.

 

Es wurden zum Beispiel folgende Fragen gestellt und diskutiert:  Wie erging es dem Magdeburger Baustadtrat Bruno Taut in Japan, welche Rolle spielten seine Frauen und warum liegt er auf dem Istanbuler Märtyrer-Friedhof als einziger Nicht-Muslim begraben? Was bewirkten Bauhäusler im Orient und wie wurde der kommunistische Muslim Selman Selmanagič zum Star im Osten Deutschlands, der ehemaligen DDR?